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Spiegelt der Mietspiegel die aktuelle Marktmiete wieder?

Immer wieder wird in der öffentlichen Diskussion die durchschnittliche Miete von der bestehenden Mietverträge und die Miete, die ein Mieter zahlen muss, wenn heute ein Mietvertrag abgeschlossen wird, verwechselt. Diese Unterscheidung ist aber sehr wichtig, weil die tatsächliche Marktmiete häufig über den Werten aus dem Mietspiegel liegt.

Eine kurze Einführung

„Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.“ (§535 Abs. 2 BGB)

„Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn …“ (§ 558 Abs. 1 BGB)

„Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde (…) für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart (…) oder geändert worden sind.“ (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB) 

„Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.“ (§ 558 c Abs. 1 BGB)

Für die Vereinbarung der Miete über Wohnraum gilt die Vertragsfreiheit. Die Miete ist der Höhe nach begrenzt durch verschiedene gesetzliche Vorgaben. Diese ergeben sich aus der Mietpreisbindung, aus dem Strafrecht (Verbot des Mietwuchers) und dem Wirtschaftsstrafrecht (Verbot der Mietpreisüberhöhung) und der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit eines wucherähnlichen Geschäfts. Der Neuabschluss von Mietverträgen muss sich folglich nicht an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren.

Der Regionalverband Berlin-Brandenburg des IVD hat in einer Erhebung der aktuellen Marktmieten bei Neuabschlüssen von Mietverträgen ermittelt, dass diese deutlich über den im Mietspiegel ausgewiesenen ortsüblichen Vergleichsmieten liegen. Wie kann das sein?

Im Mietspiegel werden die ortsüblichen Vergleichsmieten abgebildet (§ 558c Abs. 1 BGB). Diese ortsübliche Vergleichsmiete wird aus den Mietvertragsabschlüssen und –änderungen der letzten vier Jahre ermittelt (§ 558 Abs. 2 BGB). Mietspiegel sollen im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden (§ 558 c Abs. 3 BGB). Das bedeutet, dass bis zu 6 Jahre alte Miethöhen in einem anwendbaren Mietspiegel abgebildet sind.

Wenn die Mietspiegel der Gemeinden nur auf Mieterhöhungen und nicht auf die Neuabschlüsse von Mietverträgen anzuwenden sind, stellt sich die Frage, wie Neuvertragsmieten in Mietspiegel eingehen. Dies ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. In der Fachliteratur kursiert der Vorschlag, dass das Verhältnis zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten von 50 : 50 bis zu  67 : 33  Prozentanteil reichen sollte. Börstinghaus schlägt vor, dass „eine Verteilung nach dem tatsächlichen Verhältnis des Vorkommens am Markt zu wählen sein“ sollte („Der qualifizierte Mietspiegel, RiAG Ulf Börstinghaus, NZM 2000, Seite 1087 (1089/1090). 

In dem Buch „Mietspiegel in Deutschland“ (Jürgen Cromm/Uwe Koch, 2006, Rainer Hampp Verlag) weisen die Autoren in einer empirischen Untersuchung von qualifizierten Mietspiegeln nach, dass in ca. 2/3 der untersuchten Städte, die qualifizierte Mietspiegel veröffentlichen, die Neuvertragsmieten mindestens zur Hälfte berücksichtigt werden (S. 142/143 und Abb. 17). Ein überraschendes Ergebnis in dieser Untersuchung betrifft die Anpassung von qualifizierten Mietspiegeln. Bei 61 % der qualifizierten Mietspiegel erfolgt die Fortschreibung durch die Veränderung des Verbraucherpreisindex. Nur in 25 % der qualifizierten Mietspiegel wird bei der Fortschreibung des Mietspiegels eine Stichprobe genommen.  

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die ortsübliche Vergleichsmiete und die aktuell am Markt erzielten Mieten deutlich voneinander abweichen können. Deutliche Mietpreissteigerungen bei Neuvertragsmieten treten dann ein, wenn in einem Marktsegment eine starke Nachfrage auf ein geringes Angebot treffen. Werden nun bei der Erstellung des Mietspiegels in diesem Marktsegment zum einen nur ein geringer Anteil von den höheren Neuvertragsmieten berücksichtigt und hat zum anderen dieses Marktsegment erst in jüngster Zeit eine stärkere Nachfrage zu verzeichnen, dann kann der amtliche Mietspiegel mit den am Markt erzielten Neuvertragsmieten nicht Schritt halten. Liegt dann die Veränderung des Verbraucherpreisindex über den Erhebungszeitraum deutlich unter der Steigerungsrate bei Neuvertragsmieten, wird die Schere noch größer.  Ein Auseinanderfallen von ortsüblicher Vergleichsmiete aus dem Mietspiegel und der Marktmiete ist dann einleuchtend.

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